Tour de Mont Blanc (TMB), 07.08. – 14.08.2021

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Die Choreografie dieser Tour hätte nicht besser sein können: Am Anfang ein Gewitter wie ein Paukenschlag, kalte Nächte, keine Decken und unser weißer Berg versteckt sich hinter Wolken. Doch dann wird das Wetter jeden Tag besser und nach einer Woche und 85 km im Halbkreis um den Mont Blanc strahlen die weißen Gletscher bei der Abreise vor einem stahlblauen Himmel. Unser Tourguide Thomas will uns wohl schon auf die Fortsetzung im nächsten Jahr einstimmen … ?

Samstag, 07.08.: Wir reisen mit 2 Fahrzeugen aus unterschiedlichen Richtungen bei schönstem Wetter und ohne Staus nach Chamonix (1037 m) an, wo wir uns alle zehn pünktlich an der Talstation La Flégère treffen. Da der Wetterbericht Gewitter vorhersagt, machen wir uns schnell auf den steilen Weg zur ersten Hütte. Es reicht nicht ganz. Nach ca. 2/3 der Strecke kommen Donner und Regen. Aber das heftige Gewitter setzt erst ein, nachdem wir auf dem Refuge de la Flégère (1877 m) angekommen sind. Glück gehabt! Ein sehr junges Team macht Hüttendienst und verwöhnt uns mit einem 4-Gänge-Menü, eins der besten Abendessen der ganzen Tour. Und auf Nachfrage bekommen wir sogar noch Decken für alle – trotz Corona.

Sonntag, 08.08.: Heute geht es um 9 Uhr gemütlich los – in der Hoffnung, dass die Wolken sich verziehen und einen Blick auf den Mont Blanc freigeben, denn heute laufen wir auf dem Südbalkon oberhalb von Chamonix. Aber keine Chance – die Sicht bleibt schlecht. Trotzdem kommen wir um die Mittagszeit zu einer Absprungstelle für Paraglider, wo es vor lauter Springern wimmelt. Todesmutig wagen sie sich in Tandems in die Tiefe – direkt unterhalb der Seilbahn und mitten hinein in die Wolken. Da braucht man schon viel Gottvertrauen.

Wir steigen stattdessen gut gesichert über ein paar Leitern nach oben hinauf auf den Brévent (2525 m). Weil es ziemlich kalt ist, genießen wir anschließend einen heißen Kaffee im Gipfel-Restaurant. Und danach laufen wir hinab zu unserer zweiten Hütte: Refuge du Belachat. Eine sehr kleine und urige Hütte. Aber das Abendessen ist knapp bemessen, das (Steh-)Klo befindet sich draußen und es gibt nur für die Hälfte von uns Decken. Die anderen müssen frieren. Da hat es unser 11. Wanderer besser: Stefan reist in der Nacht an und schläft mit Schlafsack und Isomatte draußen auf der Terrasse – ihm ist es warm.

Montag, 09.08.: Am Morgen haben wir zum ersten Mal eine tolle Aussicht auf die Gipfel des Mont Blanc. Von Belachat aus geht es einen steilen Pfad hinunter zu einer Christus-Statue (fast wie in Rio) und zu einem Rastplatz mit Aussicht auf Les Houches und die Autobahn. Nach einer kurzen Pause laufen wir hinab ins Tal. In Les Houches ist Markt. Ideal, um Brot und Käse einzukaufen. Mit der Seilbahn geht es dann hinauf nach La Chalette. Hier genießen wir die Mittagspause in Liegestühlen in der Sonne. Außerdem gibt es am Kiosk Bier und ein erstes Omelett für Lothar. Frisch gestärkt laufen wir über die Gleise der Zahnradbad (Tramway du Mont Blanc) und weiter einen schönen Pfad hinab zu einer Hängebrücke über den Bionnassey-Gletscherbach. Hier gibt es einen Stau – denn Wanderer aus beiden Richtungen wollen Selfies machen. Auf der anderen Seite müssen wir alle verlorenen Höhenmeter – und noch einige mehr – wieder gutmachen: in einem mühsamen Anstieg zum Col du Tricot (2120 m). Und auf der anderen Seite geht es wieder steil hinab ins Tal (Merke: Bei Thomas werden die Höhenmeter bergab nicht gezählt!). Hier kann Stefan zum ersten Mal zeigen, wie er den Berg hinab „fliegt“ und uns dann wieder entgegenläuft. Das wird den Rest der Strecke über so bleiben – er trainiert für den UTMB, die „Mutter aller Bergläufe“, der in einer Woche stattfindet. Unten angekommen lockt das Chalet Miage mit Bier und Wein. Aber erst nach Vorzeigen unserer Corona-Nachweise. (Übrigens fast das einzige Mal auf der gesamten Tour, dass das kontrolliert wird. Danach nur noch in der Jugendherberge in Chamonix.)

Nach der Pause folgt noch ein kurzer, heftiger Anstieg zu unserem Chalet du Truc (1720 m). Und der hat es nochmal in sich. Daher sind wir an diesem Abend ziemlich kaputt. Und zum Abendessen gibt es wieder das Gleiche wie am Abend zuvor: Nudeln mit Omelett. Aber die Suppe ist besser und diesmal gibt es auch wieder Käse und Crème caramel. Aber hier bleibt die Hüttenwirtin hart: in dieser Nacht gibt es gar keine Decken. Alles wegen Corona.

Dienstag, 10.08.: Heute kommt ein langer Tag! Zuerst geht es hinab nach Les Contamines, wo Christian und Uta sich erst mal neue Schlafsäcke kaufen – sie haben keine Lust auf weitere kalte Nächte. Über einen schönen Markt mit regionalen Produkten geht es weiter entlang dem Flüsschen Nant Borrant bis zur Kirche Notre Dame de la Gorge. Bis hierher machen wir schnell Kilometer. Doch dann folgt wieder ein sehr langgezogener Aufstieg. Nur unterbrochen von der Mittagspause an der Hütte La Balme laufen danach alle einzeln ihr Tempo bis hinauf zum Pass Col du Bonhomme (2329 m). Und obwohl wir dachten, dass der Anstieg hier beendet ist, geht es auch danach noch stetig bergauf. Und nach jeder Kurve folgt wieder eine neue Kurve. Auf einem ziemlich unwegsamen Pfad kommen uns immer wieder Mountainbiker entgegen. Und dann sind wir endlich am Ziel: Kurz unterhalb des Col de la Croix du Bonhomme (2479 m) liegt das Refuge de la Croix du Bonhomme, eine ziemlich große Hütte. Wieder sind es junge Leute, die sie bewirtschaften. Etwas chaotisch – aber sehr nett. Und wir bekommen sogar wieder Decken. Der Hüttenwirt sagt: „Eigentlich darf ich euch keine geben – wegen Covid! Aber erfrieren sollt ihr ja auch nicht.“ Und die langersehnte Dusche für (fast) alle gibt es auch.

Mittwoch, 11.08.: Heute gibt es zur Abwechslung mal eine kurze Etappe – zum Erholen. Über die Variante des TMB steigen wir hinauf zum Tête Nord, dem mit 2756 m höchsten Punkt unserer Wanderung. Von hier aus haben wir einen grandiosen Rundum-Blick von Süden auf das Mont Blanc Massiv und in die französischen und italienischen Alpen. Und dann geht es steil hinab – zuerst durch Geröll und später durch üppig blühende Wiesen – bis zur Ville des Glaciers. Statt einer „Gletscherstadt“ erwarten uns nur ein paar Häuschen und eine Käserei. Die wirkt zwar ziemlich schmuddelig – aber der Käse ist sehr lecker. Von hier aus ist es nur noch eine halbe Stunde bis zum Refuge des Mottets (1978 m), das von 2 sehr charmanten Schwestern geleitet wird. Sie haben eine neue Corona-Decken-Strategie: Die Betten werden immer nur jeden 3. Tag belegt (es sind genügend da) und in der Zwischenzeit stirbt das Virus. Finden wir gut – und müssen nicht frieren.

Weil wir hier schon um die Mittagszeit ankommen, können wir uns den ganzen Nachmittag ausruhen: Wäsche waschen, die Füße in den Bach hängen, duschen, im Liegestuhl abhängen… Und abends gibt es das beste Menü der ganzen Tour: Gemüsesuppe, Boeuf bourguignon mit Krautsalat und Käse.

Donnerstag, 12.08.: Am Morgen steigen wir hinauf zum Col de la Seigne (2516 m), der Grenze zwischen Frankreich und Italien. Und hier haben wir den besten Ausblick der gesamten Tour. Kein Wölkchen am Himmel und der Mont Blanc mit weißen Gipfeln, Gletscherzungen und vielen weiteren Zacken direkt vor uns. Dieser Blick begleitet uns den ganzen Tag bei unserem Abstieg vorbei an einem Infozentrum hinab ins Tal. Beim Rifugio Elisabetta machen wir Mittagspause, bereuen das aber schnell, weil wir nicht auf die Terrasse dürfen, wenn wir nur etwas trinken. Daher picknicken wir auf der Wiese, bevor es weiter hinab geht. Unten sehen wir eine riesige, von Geröll bedeckte Gletschermoräne vor uns. der Weg dahin verläuft schnurgerade über eine Wanderautobahn. Man hat das Gefühl, in einer Fußgängerzone zu sein und nicht in den Bergen – so viel ist hier los. Das ändert sich wieder als wir am Fuß der Moräne einen schmalen Weg rechts hinaufnehmen. Schnell gewinnen wir wieder an Höhe, genießen die großartige Aussicht und laufen weiter zum Rifugio La Maison Vieille am Col Checroui (1956 m). Das ist eine richtige Skihütte, mitten im Skigebiet von Courmayeur mit einer aufgedrehten Hüttenwirtin, die den Laden aber im Griff hat. Am Abend gibt es ein leckeres italienisches Menü mit Pasta zur Vorspeise und Fleisch mit Gemüse. Hier ist es hilfreich, dass Christian so gut italienisch spricht.

Freitag, 13.08.: Nach dem Frühstück geht es teils über Pfade, teils mitten über die Skipiste hinab nach Courmayeur (1226 m), dem Ziel unserer Wanderung. Das Wetter ist zwar sonnig, aber die Gipfel liegen in Wolken. Daher verzichten wir auf die Fahrt mit der Seilbahn, dem Skyway Monte Bianco, und gehen Eis essen und bummeln durch das mondäne Städtchen. Stefan kauft sich neue Laufschuhe, die anderen schauen und staunen – über luxuriöse Geschäfte, darunter sogar ein Laden mit allem Schnickschnack für den (Schoß-)Hund. Da wir um 15 Uhr in Entreves kurz vor dem Mont Blanc-Tunnel mit dem Taxi abgeholt werden, müssen wir noch ca. 1 Stunde dorthin laufen. Aber darin sind wir ja geübt. Die Taxifahrer sind trotz Stau am Tunnel pünktlich und bringen uns zurück nach Chamonix. Dort genießen wir den letzten Abend in einer einfachen Pizzeria am Stadtrand und übernachten in der Jugendherberge.

Samstag, 14.08.: Am Morgen trennen sich unsere Wege: Axel und Lothar fahren weiter in die Schweiz, um den Dom zu besteigen, Stefan bleibt in Chamonix und bereitet sich noch ein paar Tage auf den UTMB vor und wir anderen machen uns auf den Heimweg. Wir wären gerne noch mit der Seilbahn auf die Aiguilles du Midi hinaufgefahren – aber die ersten freien Plätze gibt es erst ab 14.30 Uhr. Das ist zu spät für uns. Daher gehen wir noch auf den Markt und schauen uns das Städtchen an und fahren dann nach Hause. Carina sagt zum Schluss: „Oft reicht es ja nach einer Woche wandern und man will wieder nach Hause. Aber diese Tour hätte ruhig noch länger gehen können!“ Wir anderen sehen das genauso. Danke an Thomas für die tolle Organisation.

Bericht: Uta Holz